Schluss mit bemüht
Quietschbunt legt Martina Gredler die österreichische Erstaufführung von „Der große Marsch“ an. In Kurzszenen wuseln 21 Figuren auf der Bühne des Burgtheater-Kasinos. Die Ausstattung (Anna-Luisa Vieregge, Claudia Vallant) setzt auf manch berückenden Einfall. […] Gredlers Nummernrevue spielt mit Disonanzen (schiefen Fanfaren), Buntheit und Übertreibung. Auch mit Sprachauffälligkeiten: Es sächselt, berlinert und westösterreichert. […] Lotz nimmt den Betrieb aufs Korn. Die Selbstüberbeanspruchung des Theaters als moralische, politische Anstalt. Die eigene Heroisierung darob. Ganz entkommt die Aufführung dem Kritisierten aber nicht: Statt Gemüsebratlingen (im Original) werden Punschkrapfen im Publikum verteilt. Außen glänzend türkis, innen richtig schön braun.
Der Standard (Michael Wurmitzer)
Absurde Talkshow über den Sozialstaat
Ergänzt wird die amüsante, decouvrierende und auch bitterböse Nummernrevue – eine Moderatorin begrüßt nacheinander illustre Gäste – um heimische Auswüchse. Statt des monströsen Buffets gibt es türkise Punschkrapferln: innen braun, wie wir auch von Thomas Bernhard wissen. […] Im Zentrum stehen ohnedies die sechs Schauspielschüler, die Proben ihres Talents abgeben und gekonnt Gabaliers Hakenkreuz-Pose nachmachen.
Kurier (Thomas Trenkler)
Bitte verlassen Sie jetzt umgehend die Bühne (Das Beste der Woche | Stern)
So stellt die ausgelassene Parade eine wichtige Frage: Wer darf heute eigentlich auf die Bühne, wovon muss das Theater erzählen? Studierende der Musik und Kunst Privatuniversität Wien zeigen in Martina Gredlers Regie mit Karacho, was sie können.
Falter (Martin Pesl)
Vergnügliches Antitheater
Die Regie von Martina Gredler hält die 90 Minuten dieses intellektuellen Drahtseilakts mit immer neuen Arabesken in Spannung. […] Musikalisch eingedonnert mit ironischen Klassikerverzerrungen von Rupert Derschmidt, stellt Eva Maria Schindele, gewiss bald im Privat-TV, herrliche Unbedarftheit dar, Teresa Hager eine am glatten Metier Verzweifelnde. Kristóf Gellén brilliert schwyzerdütsch und alaba-maenglisch, Lukas Weiss gefällt am besten als Prometheus aus der Wiener Gosse, Sören Kneidl als sächselnder Kann-nit-verstan. Constanze Winkler kassiert – nicht stubenreine! – Lacher, wenn sie als Arbeitgeberpräsident Hundt eins von vier Beinen hebt. Aus dem Ensemble geben Brigitta Furgler und Stefan Wieland als verhuschter Poet Lotz Entwicklungshilfe. Reicher junger Beifall.
Wiener Zeitung (Hans Haider)
Schrill, schriller, Lotz
Dabei legte sich der Schauspielnachwuchs so ins Zeug, dass man vergessen konnte, dass sich die jungen Leute noch in ihrer Schauspielausbildung befinden. Nicht nur, dass die Charaktere ausdrucksstark gespielt wurden, die Artikulation aller war bemerkenswert. […] Soweit die Beurteilung der Technik: Glatte 10 Punkte. Was die Spielfreude betrifft, so kommt man auf die gleiche Punktezahl. […] Wenn Bakunin gleich mit zwei Rauschebärten und Langhaarmähne auf die Bühne kommt und während seines Interviews sein sein „Nachfahre im Geist“, Slavoj Zizek, via Einspielung parallel zu hören ist, wenn sich der ehemalige, deutsche Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt (Constanze Winkler) am Ende einer Debatte auf alle Viere begibt und sein Bein zum Pinkeln hebt, wenn Mr. Trump und Kim Jong-Un auf T-Shirts ihre Konterfeis vor sich hertragen und gemeinsam einen Nonsens-Chor aufstellen, dann macht die Regisseurin deutlich, dass sie dem ohnehin schon bewusst schrägen Text noch eine gehörige Portion Theaterwahn hinzufügt (Kostüme: Anna-Luisa Vieregge). […] Der philosophische Exkurs, den der Regisseur während des Verzehrs eines picksüßen Punschkrapferls in den derzeitigen Regierungsfarben – außen türkis und innen braun – von sich gibt, endet mit der weisen Aussage: „Es gibt viele miteinander konkurrierende Wahrheiten, das kann nicht jeder ertragen. Das ist die Wahrheit!“
European Cultural News (Michaela Preiner)